Gefallen.
Gefallen.
Gefallen.
Ist Euch schon einmal aufgefallen, dass Gefallen ein ziemlich komisches Wort ist?
Ein Gefallen kann eine freundliche Geste sein und gleichzeitig das Fallen thematisieren.
Meine Fragen sind daher heute:
Wenn man jemandem einen Gefallen tut: fällt man dann? – Oder will man nur gefallen? Gefällt das den Begünstigten? Und warum gefällt das eigentlich dem Gefallen Gebenden?
Ich habe in meinem Leben schon vielen Menschen viele Gefallen getan. Habe Menschen schon bei so vielen Dingen geholfen, dass ich irgendwann selbst den Überblick verloren habe, wer eigentlich diese ganzen Menschen sind, die ich mit meinen vielen Gefallen um mich versammelt habe.
Ich habe Wohnungen, Jobs, Kunden & Kontakte vermittelt, Netzwerke gegründet, Arbeitsplätze gestellt, Raum gegeben, Poster, Visitenkarten, Einladungskarten & Websites gestaltet, Feste & Workshops organisiert, Texte geschrieben, Fotos gemacht, Verlinkt, Empfohlen, Zugehört, Zeit geteilt, Tipps gegeben, Worte eingelegt, Meinungen gegeben, Know-How geteilt, Anleitung gegeben, zum Essen geladen, gute Stimmung verbreitet, Rede & Antwort gestanden und nicht zuletzt sehr vielen Kunden sehr flexibel bei ihren Problemen & Herausforderungen geholfen (und dabei nicht selten günstige Preise gemacht, weil ich entgegenkommend sein wollte).
Und manchmal habe ich selbst nicht mehr mitbekommen, wenn Menschen mir Gefallen getan haben.
Keineswegs möchte ich darum behaupten, dass ich der netteste und großzügigste Mensch bin, den das Weltenreich je erblickt hat, aber ich möchte behaupten, dass ich mir fremden Menschen stets ein ziemlich großes Vertrauen entgegen gebracht habe und immer ein offenes Herz, eine offene Tür und ein warmes Mahl zu reichen hatte. Dazu aufrichtiges Interesse, keine Selektion, keine Hintergedanken. – Im kindlichen Glauben an das Gute.
Ich hatte stets großen Gefallen daran, Menschen jeden Alters, jedes sozialen Status, jeder Berufung, jeder Nationalität zu begegnen, ihren Geschichten zu lauschen und Fragen zu stellen. Ich habe stets wahnsinnig viel Aufmerksamkeit geschenkt. Manchmal hat sich ein Alarm angeschaltet. Den ich aber viel zu oft überhört habe.
Und so war irgendwann der Zeitpunkt erreicht, dass ich das nicht mehr so einfach konnte. Vertrauen. Weil mich Menschen fallen gelassen und mich damit sehr enttäuscht haben. Weil mir etwas vorgemacht wurde. Weil ich belogen wurde. Weil sich an mir bereichert wurde. Weil ich mich ausgenutzt gefühlt habe. Weil mir kein Vertrauen entgegengebracht wurde. Weil ich eine Frau bin. Weil Menschen meine Entscheidungen und meine Gefühle verurteilt haben. Weil ich in Frage gestellt wurde. Weil Menschen nicht nachgedacht haben.
Ich habe also so viele Gefallen getan – und bin gefallen.
Und daran nage ich.
Es ist eine böse Mauer, die ich immer aufs Neue einzubrechen versuche.
Es geht ja beim Guten nicht darum, irgendetwas zurück zu erwarten. Es geht nicht darum, dass mir irgendwelche Leute irgendetwas schuldig sind, nur weil ich nett war oder nett sein wollte. Der Schmerz meiner Enttäuschung lässt mich an diesen Gedankenzügen verzweifeln. Ich frage mich, was ich falsch gemacht habe, wo ich doch nur Gutes & Ehrliches im (Eigen)Sinne hatte. Versuche wechselnd mir selbst, allen anderen und dem ganzen System die Schuld zu geben. Und finde doch keine Erlösung.
Vergangene Nacht, da habe ich mir einfach mal das Wort “Gefallen” durch den Kopf gehen lassen. Und da fiel es mir auf. Das Wort “Gefallen” impliziert eine Tat, die gefällt. Eine Tat mit der ich gefallen möchte, weil sie jemand anderem gefällt. Eine Charaktereigenschaft, die ich mir vielleicht von anderen wünsche. Ein Wort, das so nah am Guten hängt, aber am Ende doch den Fall prophezeit. Ein Gefallen muss nicht nett sein. Eine klare Absage, eine ehrliche, harte Meinung: das können auch Gefallen sein. Was mir gefällt, gefällt nicht jedem. Und umgekehrt.
Es bringt nichts, zu gefallen, wenn man nicht zuerst die möglichen Motive des Gegenübers überprüft hat. Das ist nicht leicht. Das ist vielleicht sogar die schwerste menschliche Übung. Aber eine, die ich mir neuerdings sehr zu Herzen nehme. Denn Menschen sind umtriebig. Sie haben Motive und keine Skrupel. Menschen sind egoistisch, gierig, opportunistisch und nicht selten psychisch & physisch völlig überlastet. Das macht das Abenteuer Leben manchmal zu einem offenen Minenfeld.
Die Zeiten meiner wahllosen Gefallen sind hoffentlich vorbei. – Das Gute ist da, aber es liegt begraben. (Vor allem in der Großstadt, sei angemerkt.) Es fällt mir schwer die Tatsache anzunehmen, dass es vielen Menschen an Empathie und Verständnis fehlt.
Ein wichtiger Vorsatz, den ich mir daher für das neue Jahr genommen habe, den ich aber nicht in einen kleinen Satz fassen konnte, ist dieser:
Das Vertrauen wiederzufinden, dass es viele dieser guten Menschen gibt, die nicht in Ignoranz, Eigennutz und Gier versunken sind. Dass ich mich mehr auf diejenigen Kontakte und Freunde konzentrieren kann, die eine gesunde Aura pflegen und verstehen, dass alles miteinander verwoben ist.* Die alle Schattierungen in sich tragen und sich darüber bewusst sind. Die wissen, dass Gefallen viele Gesichter haben und Gutes tun, selbst wenn sie schmerzen. Dass ich lerne, dass nicht jeder Mensch meine Gefallen verdient hat. Dass ich es endlich schaffe Berufliches und Privates besser voneinander zu trennen, um mich vor mir selbst zu schützen. 👻 (Und um meinen Mitmenschen einen Gefallen zu tun!! 😂) Und ich bin sehr dankbar über jeden Menschen, der mir begenet ist, der ähnliche Werte pflegt.
Ja, das ist ganz schön viel des Guten, ich weiß. 😜
Jetzt bin ich neugierig! – Gebt ihr auch gerne Gefallen und seid manchmal ganz enttäuscht, wenn plötzlich niemand mehr da ist, wenn ihr selbst mal einen Gefallen bräuchtet? Wie schützt ihr Euch? – Mit Eigensinn!?
Ich freue mich auf Eure Erfahrungen & Geschichten!
Gerne auch per Mail.
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