Sie erinnert unwillkürlich an ein kränkliches Mädchen, das man zuweilen voll Mitleid anschaut und zuweilen mit besorgter Liebe, und häufig gar nicht mehr bemerkt, das jedoch dann plötzlich auf einen Augenblick völlig unerwartet und unerklärlich so wunderschön wird, daß ein jeder erstaunt und hingerissen sich unwillkürlich fragt: welche Kraft es wohl sei, die jetzt wie ein Feuer aus diesen sonst so traurigen und versonnenen Augen blitze? Was es wohl gewesen sein möge, das jetzt das Blut in diese blassen und eingefallenen Wangen getrieben habe? Und warum wohl diese zarten Gesichtszüge jetzt so voll Leidenschaft wären? Warum die Brust so tief atme? Und was wohl der Grund gewesen, der so urplötzlich auf dem Antlitz des armen Mädchens Kraft, Leben und Schönheit hervorgezaubert habe und ihm dieses schimmernde Lächeln geschenkt und dieses funkelnde, glänzende Lachen? Man sieht sich um, man sucht mit den Blicken, man versucht zu erraten… Allein der Augenblick geht vorüber und morgen vielleicht werden wir aufs neue dem gleichen nachdenklichen zertreuten Blick von gestern begegnen, dem früheren blassen Antlitz, der Unterwürfigkeit und Schüchternheit in allen Bewegungen und möglicherweise sogar der Reue und den Spuren ertötender Schwermut und des Grames über die flüchtige Verlockung… Und wir werden vielleicht traurig sein, daß die flüchtige Schönheit so schnell und so ohne Wiederkehr verwelkt ist, die so trügerisch und doch so vergeblich vor uns aufglänzte – traurig darüber sein, daß wir nicht einmal Zeit fanden, sie liebzugewinnen.
Fjodor Dostojewskij
Von Blinkblink für Berlin.